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KUNSTBESCHRIEB

Das Auge ist hingerissen, springt, vergisst sich – und muss sich dann ganz klein machen vor den vibrierenden, aus dicht aneinandergedrängten Teilchen bestehenden Wandbehängen von Hanah Willmott. Das Auge verweilt – und möchte erkennen: Was sind das für kleine, glänzende Elemente, die, so arrangiert, spontane Assoziationen wecken … wie Mosaike, Schutzamulette, Sanddünen aus der Vogelperspektive oder stürmische Mittelmeerwogen? Welches Material vermag eine derart vielschichtige Ausdruckskraft zu vermitteln?

 

Hanah Willmotts Werke stehen in erster Linie für Transformation – die Transformation eines hochmodernen, eher skurrilen Abfallprodukts aus dem Haushalt: Kaffeekapseln. Die Künstlerin nimmt sich diesen ursprünglich praktischen Objekten an, die schnell verbraucht und dann auch schon wieder vergessen sind, und schafft es so, einen Kontrapunkt zum Schnellkonsum des bitteren Alltagsgetränks zu setzen: Kauf, Verbrauch, Wiederverwertung.

 

Aus den Tiefen der Kaffeemaschinen werden die Kapseln ans Licht geholt und dann sorgfältig präpariert: Jede einzelne wird von der Künstlerin entleert, zerlegt, durchgeschnitten und plattgedrückt – und zuweilen auch angemalt. In aufwändiger Handarbeit – die in gewisser Weise an die einer Fischerin mit ihrem Fang erinnert – werden so, Stück für Stück, die metallischen Schuppen gewonnen und angehäuft. In einem nächsten Schritt näht Hanah Willmott die Plättchen auf grosse Tücher auf, was dem Stoff mit seinem Faltenwurf zu einer von schillerndem Rauschen begleiteten Tiefenatmung verhilft: Mit totem Material haucht die Künstlerin den Tüchern Leben ein.

 

Diese hybriden Flächen – zwischen Gemälde und Skulptur –, die ein Stück vor der Wand und über dem Boden schweben, haben ein antikes Fluidum und verdanken ihre zusätzliche Dimension aus Lichtspiel der Arbeit mit Nadel und Faden, einem historischen Vermächtnis der Frau. Die gemächlichen, dem Abfall trotzenden Kreationen, die nahe der Alchimie anzusiedeln sind, widerspiegeln ihre eigene Herkunftsgeschichte: Sie sind verschwenderisch grosszügig, reich beladen und voller Bewegung. Wo sie hängen, kommt ein Hauch dessen auf, was José-Maria de Heredia in den letzten Strophen seines Sonetts Das Korallenriff aus dem Jahre 1893 heraufbeschwört:

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Mit Strahlenschuppen dämpfend der Lasuren Schein,  
Rudert ein großer Fisch durch das Geäst von Stein,    
Lässig in Schatten schwebt er, die durchleuchtet schimmern.

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Doch jählings zuckt aufblitzend seiner Flosse Stoß,     
Daß über den Krystall, mattblau und regungslos         
Schauer von Gold, Smaragd und von Perlmutter flimmern.

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